Endlagersuche

Ein anderer Blick auf die Endlagersuche

Das Planspiel der Bundesgesellschaft für Endlagerung bietet die Chance, die Debatte um ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll aus anderer Perspektive zu betrachten. 20 Interessierte waren dabei.

Wer am 30. November 2021 beim Planspiel der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) dabei gewesen ist, hat seine wahre Identität vor Eintritt in die virtuelle Konferenz zurückgelassen. 20 Personen übernahmen neue Rollen, die nicht unbedingt zu ihren üblichen Positionen in der Debatte um die Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle passten. Es war das zweite Mal, dass die BGE ihr Planspiel in einer Online-Version gespielt hat.

Beim ersten Mal richtete sich das Angebot vor allem an junge Menschen und ist gemeinsam mit dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) im Mai im Rahmen einer Veranstaltungsreihe für die junge Generation angeboten worden. Im November richtete sich das Angebot an alle. Gekommen sind junge Menschen und ältere Menschen, Personen, die sich in der Endlagerdebatte auch sonst engagieren, aber auch Leute, die mit dem Thema bisher wenig zu tun hatten: eine ideale Mischung.

Das Szenario – Was wird hier gespielt? 

Das Planspiel der BGE gibt ein fiktives Szenario im Jahr 2026 vor. Nachdem die übertägigen Erkundungen in Phase 2 der Standortauswahl abgeschlossen sind, geht es nun um die Standorte für eine untertägige Erkundung. Der fiktive Landkreis Bergnitz verfügt über eine geologische Formation, die an zwei Stellen im Landkreis den Bau eines Erkundungsbergwerks möglich machen würde. Ein Standort liegt stadtnah zur größten Stadt des Landkreises, ein zweiter im Naturschutzgebiet, einem Auwald. Nachdem klar war, dass im Landkreis ein Erkundungsbergwerk gebaut werden soll, hat es Proteste gegeben. Das Nationale Begleitgremium (NBG), das tatsächlich schon seit 2016 die Standortauswahl kritisch begleitet, beruft im Planspiel-Szenario einen Runden Tisch ein, bei dem alle Interessengruppen des Landkreises darüber beraten sollen, welcher der beiden Standorte besser geeignet sein könnte.

Nach einer Vorstellungsrunde der Mitspieler*innen, die jeweils zu zweit eine Rolle ausfüllten, folgten Verhandlungsrunden zwischen den Rollen-Gruppen, um schließlich am Runden Tisch in mehreren Beratungsrunden ihre Positionen darzustellen und mehr oder minder intensiv nach möglichen Kompromissen zu suchen. 

Wer positioniert sich wie? 

Die meisten Mitspieler*innen haben ihre Rollen so angelegt, dass ein Endlager im Landkreis aus ihrer Sicht nicht in Frage käme. Lediglich die Gewerkschaft unterstützt das Verfahren mit Blick auf gut bezahlte Arbeitsplätze, die Vorhabenträgerin, die BGE, ist natürlich ebenfalls am Fortschritt interessiert, ebenso das BASE. Die anderen Akteur*innen vom Tourismusverband über die Landrätin bis hin zur Bürgerinitiative gegen das Endlager kämpfen zunächst dafür, irgendwie wieder aus der Verantwortung herauszukommen.

Doch schon in den Verhandlungsrunden vor dem Runden Tisch diskutieren sie intensiv darüber, was denn Bedingungen dafür sein könnten, diese gesamtstaatliche Verantwortung doch zu schultern, „wenn es wirklich der bestmögliche Standort sein sollte“. Da fallen dann Stichworte wie: eine Hochschule, ein Endlagermuseum, Flächentausch für die Landwirte, Kompensation für persönliche Verluste. Also ein durchaus pragmatisches Herangehen. 

Am Runden Tisch dagegen werden zunächst einmal die Maximalforderungen ausgetauscht – also alles wie im richtigen Leben. Die Landrätin zweifelt die Eignung des Wirtsgesteins an. Die Bürgerinitiative hält kein Wirtsgestein für geeignet. Ein Landwirt und der Naturschutzverband plädieren für den stadtnahen Standort, „da wo die Infrastruktur ist“. Der Naturschutzverband argumentiert mit Orchideen wie dem Bleichen Wildvöglein, mit Wildkatzen, Hamstern und Mopsfledermäusen. Die Landrätin hält dem die Sicherheit und den Schutz der Menschen entgegen.

Ein Kompromiss wird nicht gefunden. Aber die beiden Teilnehmer*innen, die in die Rolle des NBG geschlüpft sind, geben am Ende des Runden Tisches Empfehlungen, die helfen könnten, die Gegensätze zu überwinden. Die würden allerdings die Vorhabensträgerin BGE durchaus teuer zu stehen kommen. 

Positives Fazit

Das Fazit der Teilnehmer*innen ist am 30. November durchweg positiv ausgefallen. „Ich war erstaunt, wie schnell wir uns alle in unsere Rolle eingefunden haben“, sagte ein Teilnehmer. „Ich fand es lustig, wie sehr wir alle in unseren Rollen in die alten Muster verfallen sind, und tatsächlich all die Argumente gebracht haben, die in der Debatte immer wieder auftauchen“, sagte eine andere. Eine Teilnehmerin sagte zufrieden: „Endlich konnte ich mal vom Leder ziehen, und musste mich nicht in eine neutrale Rolle zurückziehen.“ Alle waren der Auffassung, dass es „meinen Horizont erweitert hat, mal eine andere Perspektive einzunehmen als meine eigene“. Ein Mitspieler, der zur Vermittlergruppe gehört hatte, seufzte zum Schluss: „Neutralität ist verflucht schwer!“. Und: „So etwas sollte man viel öfter machen.“ 

Das nimmt sich die BGE zu Herzen: Künftig wird sie das Planspiel zwei Mal im Jahr als Onlineversion anbieten – und freut sich auf viele Mitspieler*innen, die auch einmal einen Perspektivenwechsel wagen wollen. Die nächsten Termine für das digitale Planspiel sind der 26. April 2022 um 17 Uhr, und am 24. November 2022 wiederum um 17 Uhr. 

Das Planspiel gibt es auch in einer analogen Form. Es wird für Studierende und Schüler*innen von Klasse 10 an angeboten. Wer Interesse an dem analogen Planspiel hat, kann es unter dialog(at)bge.de bestellen.

Bildschirmaufnahme vom Planspiel: Die Teilnehmer*innen diskutieren miteinander.

Im digitalen Austausch am gedachten Runden Tisch. Die Landrätin und der BGE-Geschäftsführer im Spiel setzen sich moderiert von einem Vermittler miteinander auseinander.