Endlagersuche

BGE definiert die Wirtsgesteine für ein Endlager

08. Juli 2020: Im Vorfeld der Veröffentlichung des Zwischenberichts Teilgebiete am 30. September 2020 veröffentlicht die BGE Arbeitsgrundlagen wie Begriffsbestimmungen, die bei der Ausweisung von Teilgebieten verwendet werden.

Warum sucht die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) Teilgebiete mit Formationen ausschließlich aus Wirtsgesteinen? Und was ist überhaupt ein Wirtsgestein?

Die Einlagerung von hochradioaktiven Abfälle soll in Wirtsgesteinen erfolgen. Ein Wirtsgestein verfügt über Eigenschaften, die eine Ausbreitung von radioaktiven Stoffen (Radionuklide) möglichst dauerhaft verhindern. Zudem muss es hohen Temperaturen widerstehen, ohne seine Rückhaltefähigkeit nach Abkühlung zu verlieren und es sollte möglichst wenig durchlässig für Wasser oder Gas sein.

Breiter internationaler Konsens bei Endlagerung

Aus diesen Erwägungen heraus hat sich in der internationalen und nationalen Endlagerforschung ein breiter Konsens gebildet, dass es drei potenziell geeignete Wirtsgesteinstypen gibt, die hochradioaktiven Abfall dauerhaft von Mensch und Umwelt abschließen können: Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein.

BGE legt Begriffsbestimmung für Wirtsgesteine vor

Ein genauerer Blick auf diese Wirtsgesteine zeigt jedoch schnell, dass damit viele unterschiedliche Gesteine gemeint sein können. Deshalb legt die BGE nun, drei Monate vor der Veröffentlichung des Zwischenberichts Teilgebiete am 30.9.2020, ihre Begriffsbestimmung zu den Wirtsgesteinen, mit denen sie arbeitet, vor

Kristallines Wirtsgestein

Im Standortauswahlgesetz (StandAG), der Rechtsgrundlage der Standortauswahl für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle, werden zwei Begriffe genannt: Kristallin und Kristallingestein. Die BGE fasst die beiden Begriffe zu "kristalline Wirtsgesteine" (PDF, 231 KB) zusammen. Der Grund für diese vermeintliche Spitzfindigkeit: Die BGE beschreibt in ihrer Definition kristalliner Wirtsgesteine auch, welche Kristalline als Wirtsgesteine gar nicht geeignet sind – und deshalb nicht weiter betrachtet werden.

Die BGE definiert zwei Gesteinsgruppen als kristalline Wirtsgesteine: Plutonite und hochgradig regionalmetamorphe Gesteine. Plutonite sind magmatische Gesteine, also solche die langsam in der Erdkruste aus teilgeschmolzenem Erstarrungsgestein (Magmen)auskristallisiert sind. Sie gelangen durch Erosion oder tektonische Prozesse an die Erdoberfläche. Die allgemein bekanntesten Plutonite sind Granite. Es sind sehr feste Gesteine, die  temperaturbeständig sind und ein geringes Lösungsverhalten aufweisen.

Die zweite als Wirtsgestein geeignete Gesteinsgruppe wird unter dem Fachbegriff „hochgradig regionalmetamorphe Gesteine“ zusammengefasst. Gemeint sind Gesteine, welche hohem Druck und hohen Temperaturen ausgesetzt waren. Das Resultat sind Mineralumwandlungen im festen Zustand. Es gibt unterschiedliche Ausgangsgesteine, aus denen sich ein solch hochgradig regionalmetamorphes Gestein bilden kann. Gneise und Migmatite (partiell aufgeschmolzene Gesteine) werden von der BGE als kristalline Wirtsgesteine betrachtet. Nicht dazu gehören nach Einschätzung der BGE Vulkanite oder Gesteine, die weniger hohen Temperaturen oder Drücken ausgesetzt waren. Als Wirtsgestein ungeeignet sind nach BGE-Definition niedrigmetamorphe Gesteine wie Phyllite, Hornfelse und Schiefer.

Tongestein als Wirtsgestein

Tongesteine sind Sedimentgesteine, also abgelagerte Gesteine, die sehr geringe Korngrößen aufweisen und zu ca. 50 % aus Tonmineralen aufgebaut sind. Sie werden vorwiegend in Gewässern abgelagert –Seen oder Meeren – wo sie aus einer ruhigen Wassersäule nach unten sinken. Ihrer sehr feinen Korngröße und mineralogischen Zusammensetzung verdanken sie ihre sehr guten Eigenschaften als Barrieregestein. Unter anderem sind sie kaum wasserdurchlässig und besitzen ein hohes Sorptionsvermögen für Radionuklide. Das bedeutet, dass sie in Wasser gelöste Radionuklide aufnehmen und binden können. Tone und halbverfestigte Tongesteine haben eine hohe Plastizität, sie können sich also „anpassen“. Allerdings können sie Hitze nicht gut ableiten, was zur Veränderung ihrer Eigenschaften führt. Daher hat ein Endlager für hochradioaktive Abfälle in Tongestein einen höheren Flächenbedarf als beispielsweise ein Endlager im Steinsalz. Die BGE fasst noch nicht verfestigte oder halbfeste Tone und feste Tonsteine unter dem Sammelbegriff Tongestein (PDF, 115 KB) zusammen.

Gesteinsabfolgen, die überwiegend aus Tongesteinen bestehen, aber zusätzlich geringe Mengen anderer Gesteine wie Siltsteine, Sandsteine oder Karbonatgesteine enthalten, werden ebenfalls als Wirtsgesteinsformation betrachtet. Tongesteinsformationen werden somit nicht ausschließlich durch Tongesteine charakterisiert; eingeschlossen werden damit auch Ton-dominierte Vertreter aus der Reihe Kalkstein – Mergel – Tonstein. Als nicht geeignet schätzt die BGE Tonschiefer ein.

Steinsalz als Wirtsgestein

Steinsalz (PDF, 165 KB) entsteht durch die Verdunstung von Flüssigkeiten mit Salzanteilen, was im geologischen Rahmen unter anderem bei der Austrocknung von abgeschnürten Meeresbuchten geschieht. So gebildete Salzablagerungen können ein verschiedenes Aussehen aufweisen. Salze können flachliegend das heißt parallel zu den anderen Gesteinsschichten, vorkommen – in diesem Fall spricht man fachlich ausgedrückt von stratiformen Steinsalzformationen. Diese treten zum Beispiel im Thüringer Becken oder im Norddeutschen Raum auf.

Steinsalz kann die anderen Gesteinsschichten aber aufgrund seiner besonderen Eigenschaften (geringe Dichte, Fließfähigkeit) auch durchbrochen haben. Das bekannteste Beispiel für solche steil stehenden Salzstrukturen sind Salzstöcke.

Für beide Lagerungsformen gilt, dass sie als Wirtsgestein geeignet sind, wenn der bestimmende Anteil des Gesteins aus Kochsalz (fachsprachlich Halit oder Steinsalz) oder chemisch ausgedrückt Natriumchlorid (NaCl) besteht.

Steinsalz ist deshalb ein geeignetes Wirtsgestein, weil es Wärme besonders gut ableiten kann. Heiße radioaktive Abfälle können das Gestein also nicht schädigen. Unter Druckbelastung reagiert Steinsalz plastisch, das heißt, dass es nicht spröde reagiert und zerbricht, sondern „fließt“. Daher kommt auch die Fähigkeit des Gesteins, Risse „zu heilen“. Es ist nahezu undurchlässig für Wasser. Allerdings kann sich Steinsalz in Wasser lösen, wenn es sich nicht um salzgesättigte Lösungen handelt.