Der Atommüll in der Asse

Darüber, was in der Schachtanlage Asse II alles versenkt worden ist, wurde in den vergangenen zehn bis 15 Jahren viel spekuliert. Sicher ist, dass etwa 126.000 Abfallbehälter zwischen 1967 und 1978 in das ehemalige Salzbergwerk eingelagert worden sind. Dass die Dokumentation dieser Abfälle viele Mängel hatte, ist ebenfalls schon lange bekannt. Aber dass völlig unklar ist, was drin ist in der Asse, das stimmt inzwischen nicht mehr.

Nachdem das vorgebliche Forschungsbergwerk 2009 unter Atomrecht gestellt und vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) übernommen worden war, haben die Fachleute im Amt begonnen, die chaotische Dokumentation der Abfälle aufzuarbeiten. Das Wissen über das Inventar ist seither stetig gewachsen. Aktuell überarbeitet die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die den Betrieb 2017 übernommen hat, die Abfalldokumentation ein weiteres Mal, um die Rückholung der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle inklusive der Kernbrennstoffe genehmigungsfähig vorzubereiten.

Mehr dazu finden Sie in den Asse-Einblicken 29 aus dem Jahr 2015 (PDF, externer Link, 1,87 MB).

Jahresmeldungen zu den radioaktiven Abfällen in der Asse sind hier zu finden.

Rückholung der radioaktiven Abfälle ist gesetzlicher Auftrag

Zu Beginn der Einlagerung wurden die Abfälle stehend gestapelt. Mit zunehmender Dauer stiegen die Kosten und die Strahlenexposition, der die Mitarbeiter*innen bei der Einlagerung ausgesetzt waren. Ab 1971 wurden die meisten Abfälle daher mit Hilfe eines Radladers abgekippt. Das Bild eines Radladers, der Fässer mit radioaktiven Abfällen in der Asse verkippt, ist zur Ikone geworden.

Heute wissen wir, dass die Asse keine geeignete Geologie aufweist, damit die radioaktiven und chemotoxischen Stoffe für immer sicher in der Asse lagern. Die Abfälle sollen daher wieder an die Tagesoberfläche geholt werden, um sie anschließend an einem anderen Ort sicher und für immer einlagern  zu können. Intakte Fässer wären für diese Aufgabe ein Segen. Alles deutet jedoch darauf hin, dass es diese nur noch sehr vereinzelt geben wird.

Gesicherte Erkenntnisse gibt es aus Einlagerungskammer 7 auf der 750-Meter-Ebene. Nach Jahren der Faktenerhebung gelang es hier, einen Blick in das Innere der Kammer zu werfen. Die Bilder vermitteln einen Eindruck davon, wie schwer die Bergung der Abfälle werden wird.

Die Berichte über die Faktenerhebung in Einlagerungskammer 7 sind hier zu finden.

Es fehlt in der Tat an wesentlichen Kenndaten zu den Abfällen, weshalb in der Rückholungsplanung zunächst mit Annahmen und gut begründeten Vermutungen gearbeitet werden muss. Nach dem Blick in eine erste Einlagerungskammer gehen die Arbeiten deshalb weiter – als nächstes stehen die Einlagerungskammern 8a auf der 511-Meter-Ebene und die Einlagerungskammer 12 auf der 750-Meter-Ebene auf dem Programm. So wächst das Wissen über das Inventar und seinen Zustand.

Radioaktive Zerfallsprozesse können berechnet werden

Was passiert mit den radioaktiven und chemotoxischen Stoffen in den Abfällen? Glücklicherweise sind radioaktive Zerfallsprozesse physikalisch recht einfach zu berechnen. Grundlage sind in Tabellen erfasste Zerfallseigenschaften, wie sie zum Beispiel in einer sogenannten Nuklidkarte zu finden sind. In dieser werden alle relevanten Werte für rund 300 stabile und mehr als 2.400 instabile – also radioaktive – Isotope angegeben. Die Nuklidkarten geben zum Beispiel Auskunft über die Halbwertszeiten, die Strahlungsart und in welche Stoffe ein radioaktives Isotop zerfallen wird.

Folgende Beispiele sollen das Prinzip des radioaktiven Zerfalls verdeutlichen:

  • Der radioaktive Zerfall von Kohlenstoff-14 (C-14): Das radioaktive Isotop Kohlenstoff-14 zerfällt in das Isotop Stickstoff-14 (N-14). Dabei wird Beta-Strahlung freigesetzt. Nach rund 5.730 Jahren ist noch die Hälfte des ursprünglichen Kohlenstoff-14 vorhanden. Dies ist die sogenannte Halbwertszeit. Stickstoff-14 selbst ist ein stabiles Isotop und nicht radioaktiv.
  • Der radioaktive Zerfall von Cäsium-137 (Cs-137): Dass es nicht immer so einfach ist, zeigt der Zerfall von Cäsium-137. Das in der Schachtanlage Asse II lagernde Cäsium-137 zerfällt mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 94,6 Prozent unter Aussendung von Beta-Strahlung mit einer Halbwertszeit von rund 30 Jahren in Barium-137m. Dieses ist wiederum instabil und zerfällt unter Aussendung von Gammastrahlung mit einer Halbwertszeit von rund zweieinhalb Minuten in das stabile Barium-137. Rund 5,4 Prozent des Cäsiums-137 zerfällt direkt in Barium-137.

Dass während des Zerfalls der radioaktiven Stoffe neue teils radioaktive Stoffe entstehen, ist dem natürlichen und nicht zu beeinflussenden Prozess des radioaktiven Zerfalls geschuldet. Dieser Prozess ist nicht beliebig und trägt gleichzeitig dazu bei, dass die Radioaktivität in der Asse kontinuierlich abnimmt. Im Vergleich zum Jahr 1980 ist heute bereits nur noch rund ein Fünftel der Radioaktivität vorhanden. Dies sind kontinuierliche Prozesse, die nicht zum Erliegen kommen werden. Ein statischer Zustand – das liegt in der Natur der Sache – ist nicht zu erreichen.

Aber zwei Dinge sind sicher: Die Radioaktivität sinkt. Ein Anstieg ist physikalisch ausgeschlossen.

Was die BGE über die Abfälle weiß, ist in der ASSEKAT zusammengefasst. Dabei handelt es sich um eine Datenbank, die unter anderem darüber Auskunft gibt, welche Radionuklide in welcher Menge in der Asse lagern. Mit Hilfe der Datenbank kann berechnet werden, wie sich die Zusammensetzung der radioaktiven Stoffe in Zukunft entwickeln wird. Die Datenbank wird kontinuierlich überarbeitet und an neues Wissen angepasst. Gleichzeitig werden sich nicht alle Unsicherheiten beseitigen lassen, da manches Wissen vorläufig unwiederbringlich verloren gegangen ist. Erst im Zuge der Rückholung, bei der die Abfälle neu charakterisiert werden, werden wir genauer wissen, was in der Asse lagerte.



Seit 1971 wurden die meisten Abfälle mit Hilfe eines Radladers in der Asse abgekippt. Spätestens jetzt war klar: Die Abfälle sollen die Asse nicht wieder verlassen.

Ein stark beschädigter Abfallbehälter – Aufnahme aus Einlagerungskammer 7 auf der 750-Meter-Ebene.

Ein beschädigtes und angerostetes Fass in der Einlagerungskammer 7.

Umgebungsüberwachung

Das Bergwerk muss mit Frischluft versorgt werden, nur so können Menschen sicher in der Asse arbeiten und Maschinen für die Vorbereitung und Umsetzung der Rückholung betrieben werden. Die verbrauchte Luft wird aus dem Bergwerk abgeleitet. Dabei nimmt die Luft auch radioaktive Stoffe auf, die aus den Einlagerungskammern austreten. Das sind insbesondere Tritium (radioaktiver Wasserstoff), Kohlenstoff-14 und Radon-222. Diese gasförmigen Radionuklide sind so mobil, dass sie die nicht hermetisch dichten Einlagerungskammern verlassen können.

Um zu überprüfen, welche radioaktiven Stoffe die Schachtanlage Asse II verlassen, wird die abgeleitete Grubenluft überwacht. Dies ist Teil der sogenannten Emissions- und Immissionsüberwachung. Dabei wird geschaut, welche radioaktiven Stoffe das Bergwerk verlassen (Emissionen) und wie sich diese in der Umgebung niederschlagen (Immissionen). Untersucht wird nicht nur die Luft. Auch Niederschläge, Gewässer, Boden und Pflanzen werden untersucht. Die Überwachung wird durch die BGE selbst und zusätzlich durch eine unabhängige Messstelle im Auftrag der Aufsichtsbehörde (hier des BASE) vorgenommen. Die Messmethoden und Ergebnisse werden in Berichten zur Emissions- und Immissionsüberwachung veröffentlicht. Darüber hinaus gibt es weitere Angebote an die Region, um zum Beispiel landwirtschaftliche Erzeugnisse auf Radioaktivität untersuchen zu lassen:

  • Ergänzendes Messprogramm zur Überwachung der Umgebung der Schachtanlage Asse II: Im Auftrag der BGE führt die AGROLAB LUFA GmbH aus Kiel ebenfalls radiologische Untersuchungen durch. Im Zuge des Auftrages wird die Ansprache an die Probengeber, die Probenlogistik sowie auch die Probenahme von der AGROLAB LUFA GmbH durchgeführt. Das Messprogramm ist 2012 vom Niedersächsischen Landvolk und der AG-Umgebungsüberwachung in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Strahlenschutz als ehemaligem Betreiber der Schachtanlage Asse II initiiert worden und beinhaltet vorwiegend radiologische Messungen von landwirtschaftlichen Produkten (Weiden- und Wiesenbewuchs, Feldfrüchte, Obst/Gemüse, Blätter/Nadeln, Kuhmilch, Wasser, Boden) im Umkreis von rund zehn Kilometern um die Schachtanlage Asse II.
     
  • Bürgermessstelle für Umweltradioaktivität in der Nähe der Schachtanlage Asse II: Die Leibnitz-Universität Hannover betreibt in Partnerschaft mit der Samtgemeinde Elm-Asse in Remlingen eine Bürgermessstelle. Dort können alle Bürger*innen Umweltmedien auf Radioaktivität untersuchen. Unter fachkundiger Anleitung von Mitarbeiter*innen der Universität lernen Sie die Messungen selbst durchzuführen. Weitere Informationen und Ansprechpartner*innen finden Sie auf der Internetseite der Universität Hannover (externer Link).

Die Ableitungen werden insbesondere auf Radon-222, Tritium (H-3) und Kohlenstoff-14 (C-14) untersucht. Die Messergebnisse zeigen, dass die Ableitungen aus der Schachtanlage Asse II deutlich unterhalb der genehmigten Ableitungswerte liegen. So wird der genehmigte Ableitungswert für Tritium zu 1,3 Prozent und der genehmigte Ableitungswert für C-14 zu 8 Prozent ausgeschöpft.

Die Messergebnisse im Umfeld der Schachtanlage Asse II unterscheiden sich nicht von Messwerten in anderen Teilen Deutschlands.  
 


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