BGE

Wie wirken künftige Eiszeiten auf die Sicherheit eines Endlagers?

BGR und BGE diskutieren mit rund 200 internationalen Wissenschaftler*innen über subglaziale Rinnen, die bei der Eisschmelze entstehen.

Die Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe (BGR) und die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) haben am 9./10. Dezember 2021 eine zweitägige Fachkonferenz zu subglazialen Rinnen veranstaltet. An der Konferenz nahmen 200 internationale Expertinnen und Experten teil. Hintergrund war die Frage, wie sich mögliche künftige Eiszeiten und insbesondere das Abschmelzen der Gletscher am Ende einer Eiszeit auf den Untergrund auswirken. Die dabei entstehenden subglazialen Rinnen und ihre Erosionswirkung waren das zentrale Thema der Fachkonferenz. Die Frage ist wichtig, um die Sicherheit eines möglichen Endlagers für hochradioaktive Abfälle bewerten zu können.

Zur Konferenz sagte BGR-Präsident Prof. Dr. Ralph Watzel: „Obwohl subglaziale Rinnen schon viele Jahrzehnte erforscht werden, gibt es immer noch offene Fragen, insbesondere für die Standortauswahl. Diese Fragen haben wir intensiv diskutiert und den weiteren Forschungsbedarf herausgearbeitet. Am Ende geht es auch um die Transparenz der Forschung und die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse.“

BGE-Geschäftsführer Steffen Kanitz kommentierte: „Diese Konferenz hat uns gezeigt, wie viel wir bereits über subglaziale Rinnen und damit einen Aspekt eiszeitlicher Auswirkungen wissen. Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse bringen uns bei der Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle voran.“ Für Steffen Kanitz ist eine wichtige Erkenntnis aus der Konferenz: „Wir haben hier sehr interessante regionalgeologische Erkenntnisse präsentiert bekommen. Genau das wird gebraucht, um konkrete geologische Verhältnisse genauer zu bewerten.“

Um was geht es?

Am Vormittag des ersten Konferenztages lag der Schwerpunkt der Beiträge auf der Frage, wie subglaziale Rinnen entstehen und sich entwickeln. Die Keynote im ersten Panel hatte Prof. Dr. Jan Piotrowski gehalten. Der Leiter der Abteilung Geowissenschaft der Universität Aarhus hat sich mit dem Abfluss unter dem Eis befasst. In den weiteren Vorträgen ging es um Bedingungen, welche die Bildung solcher Rinnensysteme im Untergrund begünstigen, sowie um regionalspezifische Forschungsergebnisse, beispielsweise aus den Alpen.

Das zweite Panel befasste sich mit der Frage, wie solche subglazialen Rinnensysteme erkundet werden könnten. Die Keynote hielt Prof. Dr. Gerald Gabriel, Leiter der Sektion "Seismik & Potentialverfahren" des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik (LIAG). Gemeinsam mit einer internationalen Forschungsgruppe hat er sich mit Möglichkeiten zur Erkundung auseinandergesetzt. Die Folgevorträge hatten wiederum verschiedene Erkundungstechniken sowie regional-geologische Untersuchungen im Blick, diesmal eher im Norden Deutschlands.

In der darauffolgenden Postersession konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops einen guten Überblick über die Vielfalt der Forschungsfragen rund um subglaziale Rinnen gewinnen. Dort haben sich engagierte Diskussionen ergeben. Ein Teilnehmer sagte: „Hier kommen wir doch einer Konferenz, wie wir sie in Präsenz hätten erleben können, ziemlich nahe.“

Umfangreiches Wissen in Norddeutschland und im Alpenraum

Zu Beginn des zweiten Konferenztages stand das Thema der räumlichen Verbreitung und zeitlichen Entwicklung subglazialer Rinnen im Mittelpunkt. Prof. Dr. Frank Preusser, Leiter der Forschungsgruppe Sedimentgeologie der Universität Freiburg, und Prof. Dr. Flavio Anselmetti von der Universität Bern stellten das Internationale wissenschaftliche Bohrprogramm im Alpenraum vor. Bis zum Mittag präsentierten verschiedene Forschungsgruppen ihre Ergebnisse zu regionalen Ausprägungen subglazialer Rinnen und ihrer zeitlichen Entwicklung. Dabei nahmen sie sowohl Norddeutschland als auch Süddeutschland in den Blick.

Die letzte Keynote hielt Dr. Urs H. Fischer von der Nagra, der die subglaziale Tiefenerosion und ihre Auswirkungen auf radioaktive Abfälle gemeinsam mit seiner Forschungsgruppe einordnete. Die Nagra ist für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle in der Schweiz verantwortlich. Es folgten Vorträge von BGR und BGE mit Blick auf die Abschätzung der Tiefenwirkung subglazialer Rinnen und der Berücksichtigung abweichender Entwicklungen in den vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen.

Überblick über den aktuellen Forschungsstand

Das Wissen um glaziale Rinnensysteme ist bereits sehr umfangreich, das haben die zwei Tage mit engagierten Vorträgen und Diskussionen gezeigt. Ein verbreiteter Wunsch: Universitäten und die geologischen Dienste möchten gerne näher zusammenrücken. Forschungsfragen sind mit Blick auf das Standortauswahlverfahren aus Sicht der BGE vor allem, wie tief solche subglazialen Rinnensysteme mit Blick auf künftige Eiszeiten werden könnten, oder ob es eine sichere Tiefe geben kann. Aus Sicht der BGR stellt sich zudem die Frage, in wie weit sich subglaziale Rinnensysteme der Vergangenheit und der Zukunft gegenseitig beeinflussen können. Dr. Tim Vietor, Vorstand der Schweizer Nagra, stellte in der Abschlussdiskussion die Frage, ob und wie alle Wissenslücken geschlossen werden können, und wie viel Ungewissheit eine lokale Bevölkerung aushalten kann. „Das wird sich tatsächlich erst im konkreten Fall zeigen“, sagte er. Eines hat die Fachtagung jedenfalls bereits gebracht: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich ein Bild über den Forschungsstand und die aktuellen Projekte machen, und sie haben auch Hinweise bekommen, wo die Wissensgrundlage verstärkt werden kann.

Das Foto zeigt viele kleine Köpfe. Es ist ein Screenshot aus der Onlinekonferenz.

Rund 200 Wissenschaftler*innen aus Europa sowie eine kleine Gruppe Bürger*innen haben sich zwei Tage lang mit einem Spezialthema der Endlagersicherheit befasst