Um für Endlagerung in Deutschland die Akzeptanz der Bevölkerung zu finden, braucht es größere Veränderungen, etwa einen offenen Umgang mit Fehlern. Ein Interview mit BGE-Geschäftsführerin Ursula Heinen-Esser
Einblicke: Mit der BGE gibt es nun eine ganz neue Organisation, die sich in Deutschland um das Thema Endlagerung kümmert. Verdankt sie selbst ihre Existenz der Tatsache, dass aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt worden ist?
Ursula Heinen-Esser: Es gibt uns vor allem aufgrund der Erkenntnis, dass in der Vergangenheit die Reibungsverluste zu groß waren. Es gab zu viele Ausführende, und die Strukturen waren ineffizient. Reibungsverluste und Effizienz waren wichtige Gründe, die zur BGE geführt haben.
Einblicke: Auch Offenheit scheint dabei ein wichtiges Wort zu sein.
Ursula Heinen-Esser: Offenheit und Transparenz sind mein persönlicher Anspruch, den ich als BGE-Geschäftsführerin habe. Das heißt: offen über alles sprechen und ein wirklich transparentes Unternehmen werden. Bei der Standortsuche werden wir ein ganz neues Verfahren im Umgang mit der Öffentlichkeit in Gang setzen und von Beginn an alles für die Bürger zugänglich machen. Auch in den anderen Projekten werden wir entsprechend verfahren.
Einblicke: Ist die Herausforderung der Standortsuche nicht schon groß genug? Warum leitet die BGE parallel auch die Projekte Asse, Konrad und Morsleben?
Ursula Heinen-Esser: Wir führen das Know-how, das früher in verschiedenen Unternehmen lag, jetzt in einer Organisation zusammen, um es zur bestmöglichen Entfaltung zu bringen. Denn auch das muss man offen sagen: In der Vergangenheit wurde bei den verschiedenen Akteuren zu viel Kreativität darauf verwendet, nicht immer sehr förderlich miteinander umzugehen.
Einblicke: Staatsbedienstete, die transparent mit Fehlern umgehen und daraus lernen – das klingt nach einem größeren kulturellen Wandel. Wie kann der gelingen?
Ursula Heinen-Esser: Indem wir als BGE-Geschäftsführer damit anfangen. Wir können diese Offenheit von unseren Mitarbeitern nur verlangen, wenn wir sie auf der Führungsebene überzeugend vorleben. Zudem haben wir mit Professor Oliver Sträter von der Universität Kassel einen Experten damit beauftragt, das auch systemisch zu verankern. Für die Standortauswahl bauen wir jetzt eine neue Abteilung auf, in der dann auch ganz neue Verfahren und Denkweisen etabliert werden sollen.
Einblicke: Wie können es Behörden schaffen, Offenheit zuzulassen und trotzdem rechtssichere Entscheidungen zu fällen?
Ursula Heinen-Esser: Erst mal: Wir als BGE sind gar keine Behörde, wir sind ein privates Un ternehmen, das sich zu hundert Prozent in Bundesbesitz befindet. Und ja, diese Offenheit ist meine feste Intention. Wir werden alle unsere Entscheidungen ja sorgfältig vorbereiten – aber trotzdem können auf dem Weg zu einer Entscheidung Fehler passieren. Man muss bereit sein, sie einzugestehen und nochmal ein, zwei Schritte zurückzugehen. Allerdings muss es dann irgendwann ein deutliches Vorankommen geben, auch dafür müssen wir sorgen. Kurzum: Wir müssen eine lernende Organisation werden, die lernende Verfahren ermöglicht.
Einblicke: Können Sie als Organisation überhaupt mithalten mit der digitalen Netzwerk-Gesellschaft, in der sich Initiativen schnell organisieren und das Wissen dynamisch wächst?
Ursula Heinen-Esser: Wir haben keine Wahl, damit müssen wir uns im Jahr 2017 auseinandersetzen. Angesichts von Prozessen, die auf Generationen angelegt sind, ist das natürlich eine große Herausforderung. An dererseits hilft uns die digitale Welt auch ungemein, weil wir unsere Erkenntnisse und den Stand unserer Arbeit auf digitalen Plattformen jederzeit für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich machen können. Dadurch wird es auch schwerer werden als in der Vergangenheit, Unwahrheiten über Projekte zu verbreiten. Die digitale Welt sehe ich daher vor allem als eine Riesenchance für uns, auch in der direkten Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Einblicke: Wird es die Kompromissfindung in Sachen Endlagersuche erleichtern, dass Deutsch land aus der Atomenergie ausgestiegen ist?
Ursula Heinen-Esser: Durch den Atomausstieg und auch durch den Neustart bei der Endlagersuche ist eine bestimmte gesellschaftspolitische Befriedung erreicht worden – und damit auch akzeptanzfähige neue Verfahren. Wir müssen aber sehr vorsichtig damit umgehen, denn die erreichte Akzeptanz ist ein hohes Gut. Dem müssen wir jetzt gerecht werden.