Endlagersuche

Geologie hat bei der Endlagersuche Vorfahrt

Erst wenn Sicherheitsuntersuchungen und geowissenschaftliche Kriterien Gebiete ergeben, die gleich sicher sind, können planungswissenschaftliche Abwägungskriterien zum Einsatz kommen.

Genau zwei Anwendungsfälle gibt es nach Einschätzung der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) für die eventuelle Anwendung der planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien (externer Link) auf dem Weg zu sogenannten Standortregionen für die übertägige Erkundung. Gemeint sind damit elf Abwägungskriterien, die Nutzungsansprüche der heutigen Menschen auf Flächen über und unter Tage erheben – vom Abstand zur Wohnbebauung, über Emissionen bis hin zum Trinkwasserschutz oder zu bedeutenden Kulturgütern. All diese elf Abwägungskriterien spielen bei der Suche nach einem Standort für das Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle.

Nur dann, wenn auf dem Weg zu den Standortregionen für eine übertägige Erkundung im Ergebnis der vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen sowie Anwendung der Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und geowissenschaftlichen Abwägungskriterien gleich sichere Gebiete hinsichtlich der Anzahl oder Größe reduziert werden müssen, dürfen die Nutzungsansprüche über der Erde überhaupt eine Rolle spielen.

Ende September hat die BGE ihre ersten methodischen Überlegungen für die kartografische Darstellung im Rahmen einer möglichen Anwendung der planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien in einer Digitalveranstaltung öffentlich (externer Link) zur Diskussion gestellt. Denn allein die Darstellung der unterschiedlichen Nutzungsansprüche in der Fläche ist schon eine überaus komplexe Aufgabe. Rund 200 Personen haben die Veranstaltung live in einer Digitalkonferenz und bei der Liveübertragung im Internet verfolgt – und angeregt darüber diskutiert. Das aufgezeichnete Video steht weiter zur Verfügung und ist bereits mehr als 520 Mal abgerufen worden (Stand: 14.10.2022).

„Gegebenenfalls kommen diese Abwägungskriterien gar nicht zum Einsatz“

Der für die Standortauswahl zuständige BGE-Geschäftsführer Steffen Kanitz betonte ebenfalls die Nachrangigkeit der planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien: „Gegebenenfalls kommen diese gar nicht zum Einsatz.“ Denn „in der Endlagersuche hat die Geologie immer Vorrang“, sagte Kanitz.

Die Eingrenzung der 90 Teilgebiete von rund 54 Prozent der Landesfläche auf Standortregionen für die übertägige Erkundung wird mit Hilfe von zwei bis drei methodischen Instrumenten erreicht werden. Aktuell wird die Methodik für die repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen (rvSU) weiterentwickelt. Mit Hilfe von vier Prüfschritten will die BGE bei dieser ersten vorläufigen Sicherheitsuntersuchung der so genannten Untersuchungsräume (diese entsprechen den Teilgebieten) Schritt für Schritt die für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle erfolgversprechendsten Gebiete ermitteln.

Nur die dann noch übrig bleibenden günstigsten Gebiete – in der rvSU-Methodik spricht die BGE von A-Gebieten – werden mit Hilfe der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien weiter auf dem Weg zu den Standortregionen bearbeitet. Die Methodik für die geowissenschaftlichen Abwägungskriterien will die BGE bis Mitte 2023 überarbeitet haben und dann ebenfalls zur Diskussion stellen. Ende 2023 wird die BGE eine übergeordnete Methode zur Ermittlung von Standortregionen für die übertägige Erkundung vorstellen. Damit wird neben den weiterentwickelten Methoden zur Durchführung der repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen und Anwendung der geowissenschaftlichen und planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien, auch die Herangehensweise zur Erarbeitung der standortbezogenen Erkundungsprogramme für die übertägige Erkundung dargestellt.

Abstand zur Wohnbebauung als Nutzungsanspruch

Die Fachleute der BGE haben mit ihrem ersten methodischen Schritt nach einem Weg gesucht, die vorhandenen Nutzungsansprüche an das Geschehen über Tage und auch teilweise im Untergrund in der Fläche darstellen zu können. Dafür haben sie auf bundesweit oder landesweit vorhandene Datensammlungen zurückgegriffen, um diese Nutzungsansprüche mit vergleichbaren Maßstab betrachten zu können. In den schon für die Entwicklung der Methodik für die repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen als „Testraum“ genutzten Gebieten zur Methodenentwicklung haben die Fachleute um Nadine Schmidt und Nina Grube zusätzliche Daten abgefragt, um ein genaueres Bild der Datenlage zu bekommen. Testanwendungen hat es bei diesem methodischen Schritt allerdings keine gegeben.

Nina Grube stellte die methodischen Überlegungen zu zwei der elf planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien vor. Kriterium 1: Abstand zur Wohnbebauung oder in der Langfassung „Abstand zu vorhandener bebauter Fläche von Wohngebieten und Mischgebieten“ und Kriterium 4: Überschwemmungsgebiete, dabei geht es vor allem um den Hochwasserschutz. Die Fachleute haben für das Kriterium 1 als Datenbasis das Digitale Basis-Landschaftsmodell (Basis-DLM) des Amtlichen Topographisch-Kartographischen Informationssystems (ATKIS) verwendet.

Am Ende der Veranstaltung freute sich der Vorsitzende der BGE-Geschäftsführung Stefan Studt mit Blick auf diese Datenbasis, „dass wir in diesem Verfahren immer wieder neue Begriffe und Themen kennenlernen und daraus lernen“. Diese Daten sehen die Fachleute im Anwendungsfall als einen geeigneten Aufsatzpunkt für die Ausweisung der im Standortauswahlgesetz beschriebenen Abstandsflächen an (Präsentation Seite 21, PDF, 46 MB). Die Datenbasis zur Erfassung von Überschwemmungsgebieten haben die BGE-Fachleute bei der Bundesanstalt für Gewässerkunde gefunden.

In der Diskussion zeigte sich, dass insbesondere das Abstandskriterium auf großes Interesse stößt. Dass ein Abstand von 1000 Metern im Standortauswahlgesetz als „günstig“ bewertet wird, ist teilweise mit Verwunderung aufgenommen worden. Viele Fragen drehten sich auch um die Definition, welche Art von Bebauung gemeint ist. Auch die Frage, wozu der Abstand bestehen sollte, zu den Oberflächenanlagen oder womöglich zur Ausdehnung des gesamten Endlagerbergwerks, wie es ein Fragesteller verstanden hatte, ist lebhaft diskutiert worden. Die BGE sieht die künftigen Oberflächenanlagen als Bezugspunkt für den Abstand. Allerdings ist es in diesem noch frühen Stadium des Standortauswahlverfahrens noch nicht möglich, eventuelle Oberflächenanlagen zu platzieren. Deshalb sind die Puffer noch gar nicht ganz klar bestimmbar.

Mehrere Fragesteller*innen wunderten sich in der Diskussion darüber, dass die Bevölkerungsdichte bei der Standortauswahl keine ausschließende Wirkung hat.

Wie geht die Diskussion um die Planungskriterien weiter?

Die Diskussion über die methodischen Ansätze der BGE zur eventuellen Anwendung der planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien wird schon am 19. Oktober 2022 um 18.30 Uhr fortgesetzt. Auf Einladung des Planungsteams Forum Endlagersuche (PFE) werden die BGE-Expertinnen in einer öffentlichen digitalen Sitzung des PFE (externer Link) ihre Überlegungen ein zweites Mal präsentieren und weitere Abwägungskriterien vorstellen. Zu dieser Veranstaltung ist eine Anmeldung notwendig.

Die BGE bittet die Öffentlichkeit und die Fachleute insbesondere in der Wissenschaft und den Kommunen zudem um Einschätzungen zum Methodenpapier, das seit Ende September auf der Homepage der BGE veröffentlicht ist. Anmerkungen, Fragen, Hinweise und Kritik richten Sie bitte gerne an: dialog(at)bge.de

Schematische Darstellung der planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien

Erste Entwicklungsetappe: Darstellung in der Fläche.

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