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„ÜsiKo statt Risiko“ - Was sich hinter der erneuten Sicherheitsüberprüfung des Endlagers Konrad verbirgt. Ein Bericht von Manfred Kriener

Wie geht Sicherheit? Diese zentrale Frage ist bei allen Atomanlagen von besonderer Brisanz. Voranschreitende Erkenntnisse und Neuerungen von Wissenschaft und Technik entziehen dem Thema Sicherheit seinen statischen Charakter. Sicherheitskonzepte sollen dem aktuellen Stand entsprechen und müssen deshalb gegebenenfalls angepasst werden. Wie geht Sicherheit? Sicherheit geht immer weiter. Beim Endlager Konrad, dem bereits 2002 genehmigten Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im niedersächsischen Salzgitter, ist deshalb vor zwei Jahren eine neue Sicherheitsüberprüfung in Gang gesetzt worden. „ÜsiKo“ heißt das Verfahren. ÜsiKo klingt ähnlich wie Risiko, soll aber das genaue Gegenteil sein. Das Kürzel steht für die „Überprüfung der sicherheitstechnischen Anforderungen des Endlagers Konrad nach dem Stand von Wissenschaft und Technik“. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat den aufwendigen Sicherheitscheck angeschoben. Das niedersächsische Umweltministerium als Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde hat das Verfahren von Beginn an befürwortet und unterstützt. Das BfS stellt klar, dass man da mit nicht den Forderungen von Bürgerinitiativen, Kommunen oder anderen Kritikern des Endlagers nachkomme. Deren Sorgen und Einwürfe nehme man grundsätzlich ernst, aber die ÜsiKo sei eine Eigeninitiative des Amts, die „dem eigenen Selbstverständnis entspricht“. Inzwischen hat als neu gegründete Einrichtung die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) den Part des BfS übernommen. Notwendig wurde die Sicherheitsüberprüfung durch den mehrere Jahrzehnte umfassenden Zeitraum, den die Realisierung dieses Endlagers bisher in Anspruch genommen hat. Nachdem so viele Jahre seit der Planung und Genehmigung vergangen seien, werde eine Überprüfung des Sicherheitskonzepts zwingend notwendig, sagt Stefan Wenzel. Er stand als der bis 2017 amtierende niedersächsische Landesumweltminister in der Verantwortung für Konrad. Der vom Atomgesetz vorgeschriebene Stand von Wissenschaft und Technik sei, so Wenzel, „ein dynamischer Rechtsbegriff“, der von den Betreibern von Atomanlagen und den Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden verlange, ihre Sicherheitskonzepte auf den jeweils aktuellen Stand zu bringen. „Diese Vorschrift muss nach Punkt und Komma eingehalten werden, wenn es keine Abstriche bei der Sicherheit geben soll“, sagt der frühere langjährige Umweltminister. Auftakt des Überprüfungsverfahrens war ein im April 2016 noch vom BfS organisierter erster Workshop. Neben Fachleuten aus Universitäten, Behörden, Firmen und technischen Prüforganisationen waren auch die Stadt Salzgitter, Bürgerinitiativen und Gewerkschaften eingeladen, sich über das Vorhaben zu informieren. Denn der Betreiber steht im Wort, er hat der Region und der einheimischen Bevölkerung zugesichert, vor Inbetriebnahme das Sicherheitskonzept noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Diese Überprüfung soll, so das Versprechen der BGE, nicht im stillen Kämmerlein, sondern transparent und offen durchgeführt werden, mit regelmäßiger Information der Öffentlichkeit. Was genau ist nun geplant? Was ist von der ÜsiKo zu erwarten? Könnte Schacht Konrad als Endlager am Ende der Überprüfungen womöglich wieder zur Disposition stehen? Mit solch weitreichenden Konsequenzen rechnet trotz des ergebnisoffenen Verfahrens niemand. Henrike Baumgarten, Konrad-Expertin der BGE, betont, die Sicherheitsnachweise für die Einlagerung des Atommülls, die geologischen Untersuchungen und die möglichen Störfallszenarien seien alle „konservativ“, also mit einem großen Puffer zugunsten der Sicherheit berechnet worden. Auch gebe es bisher keine Sicherheitsmängel. Aber die Auftraggeber wollen nichts vorwegnehmen und die Ergebnisse abwarten. Die erste Phase der ÜsiKo hat nach Vergabe des Auftrags an externe Experten inzwischen begonnen. Gutachter der DMT-Group, der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, der Brenk Systemplanung und des TÜV Rheinland ermitteln zunächst den Überprüfungsbedarf. Wo sollte man noch mal genauer hinschauen? Welche Analysen und Modellierungen können mit den heute deutlich besseren Rechnerleistungen präzisere Ergebnisse liefern? Ein konkretes Beispiel dafür sind genauere Berechnungen einer möglichen „Mobilität“ des in den Tiefen eingeschlossenen Wassers. Phase zwei widmet sich der Aktualisierung der Sicherheitsanalysen. Bevor sie beginnt, soll die Öffentlichkeit über die Ergebnisse von Phase eins unterrichtet werden. Dort, wo die erste Gutachterrunde einen Überprüfungsbedarf festgestellt hat, soll in der zweiten Stufe nachgerechnet, justiert, modelliert werden. Im Fokus steht dabei die Langzeitsicherheit des Endlagers, also der sichere Einschluss der strahlenden Abfälle für Jahrhunderte und Jahrtausende in tiefen geologischen Formationen. Aber auch die Einlagerungsphase und das Handling der Abfallgebinde werden analysiert. Mit neuen Modellrechnungen wäre es möglich, falls die Gutachter das vorschlagen, einige Worst-Case-Betrachtungen nochmals zu präzisieren. Unter welchen Umständen und in welchen Zeiträumen könnten sich langlebige Radionuklide aus den eingelagerten Abfällen bis ins oberflächennahe Grundwasser oder in die Geosphäre ausbreiten? Welchen Einfluss hat der aktuelle Klimawandel auf die Wasserbewegungen im Untergrund? Und was passiert eigentlich, wenn die nächste Eiszeit in einigen Tausend Jahren mit ihren Eismassen und Gletschermoränen auf das Bergwerk drückt? Zusätzlich zur Sicherheitsanalyse des „normalen“ bestimmungsgemäßen Betriebs könnten auch mögliche Störfallszenarien – Absturz und Zerstörung eines Abfallgebindes, ein Brand im Endlager Konrad oder eine Explosion – ein weiteres Mal untersucht werden. Ob abschließend die Phasen drei und vier der ÜsiKo umgesetzt werden, hängt wiederum von den Ergebnissen der ersten Gutachterrunden ab. Phase drei steht für mögliche Anpassungen und Änderungen der bisherigen Planungen für das Endlager Konrad, Phase vier für deren bauliche Umsetzung. Ein großzügig angesetzter zeitlicher Rahmen für die ÜsiKo soll garantieren, dass die Überprüfungen so gründlich wie notwendig abgearbeitet werden können. Erste Ergebnisse aus Phase eins liegen inzwischen vor. Im Herbst soll sie abgeschlossen sein. Das gesamte Verfahren könnte nach Angaben der BGE bis spätestens 2022 andauern. „Bei dieser Überprüfung muss allein die Sicherheit im Vordergrund stehen und nicht irgendein politisches oder ökonomisches Interesse“, sagt Wolfram König. Der heutige Präsident des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit stand bis 2017 an der Spitze des ehemaligen Konrad-Betreibers BfS. Er sieht in der ÜsiKo eine notwendige „Neubetrachtung eines über 40 Jahre alten Projekts“. Dabei gehe es auch um ein Stück Glaubwürdigkeit. Was immer die Gutachter an Ergebnissen vorlegen werden: Es gebe, so König, „keine No-Go-Punkte, ergebnisoffen heißt ergebnisoffen!“ Kann die ÜsiKo die Akzeptanz des Endlagers Schacht Konrad in der Region verbessern? Damit rechnet eigentlich niemand aus den beteiligten alten und neuen Organisationen. Und das sei nach Ansicht der BGE auch nicht Sinn und Zweck dieser Überprüfung. „Der Widerstand gegen das Endlager Schacht Konrad hat Jahrzehnte über angehalten“, sagt Stefan Wenzel, „er ist zuletzt allen Plänen einer möglichen Erweiterung des Einlagerungsvolumens vehement entgegengetreten. Daran wird sich auch nichts ändern.“ So dürfte die ÜsiKo von den Gegnern des Endlagers eher misstrauisch verfolgt werden. Sie verlangen, so die Forderung der Stadt Salzgitter, eine komplett neue Eignungsprüfung des Endlagerstandorts und die Einbeziehung der Rückholbarkeit der eingelagerten Abfälle. Solche Forderungen gingen weit über die Auftragsbeschreibung der ÜsiKo hinaus, macht dagegen die BGE deutlich. Sie würden ein komplett neues Genehmigungsverfahren notwendig machen. Die ÜsiKo habe dagegen die Sicherheit des bestehenden und genehmigten Konzepts im Auge.
Hinter der Geschichte Der Autor Manfred Kriener schreibt seit vielen Jahren über Ökologie, Nachhaltigkeit und Wissenschaftsthemen. Er war Redakteuer der „taz“ und Chefredakteur des Umweltmagazins „zeo2“. Zudem wurde Kriener mit dem Medienpreis der Deutschen Umwelthilfe ausgezeichnet.

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