Geomechanische Betriebsüberwachung in Morsleben

Das Endlager Morsleben wird aus verschiedenen Perspektiven überwacht. Strahlenschutz, Objektschutz und die geomechanische Betriebsüberwachung gehören dazu. Geomechanik ist die Mechanik der Erde, also die Wissenschaft darüber, wie Boden und Gestein sich verhalten, wenn es zum Beispiel Änderungen in der Spannung oder Temperatur gibt. Mit Hilfe der Geomechanik lässt sich die Stabilität von Hohlräumen beurteilen – was wichtig für die Überwachung der Sicherheit eines tiefengeologischen Endlagers ist.

Das Endlager Morsleben ist stabil. Aber woher wissen wir das?

Der bergbauliche Zustand des Endlagers wird seit 1970 erfasst und überwacht. Ein Beweissicherungs- und Überwachungsprogramm ist Bestandteil der Dauerbetriebsgenehmigung von 1986. In Betriebsteilanweisungen steht exakt, wie die Überwachungsmaßnahmen umgesetzt werden müssen. Auch die Dokumentation ist verpflichtend geregelt. Jede Änderung im mechanischen Verhalten des Gebirges soll erfasst werden. Fachleute bewerten so die Betriebs- und Langzeitsicherheit des Endlagers Morsleben.

Wie sieht das Überwachungsprogramm aus?

Im Detail umfasst die geomechanische Überwachung des Grubengebäudes ein siebenteiliges Programm. Es muss regelmäßig von den Mitarbeiter*innen der Markscheiderei ausgeführt werden , die dabei mit Kolleg*innen der Geoinformation zusammenarbeiten. Die Mitarbeiter*innen benötigen alle Einzelergebnisse des Überwachungsprogramms, um eine sichere Gesamtbewertung zur Stabilität abgeben zu können.

  1. Höhenüberwachung über Tage
    In der Umgebung des Endlagers Morsleben finden sich über Tage rund 300 Festpunkte die von den Markscheider*innen regelmäßig auf Höhenveränderungen an der Tagesoberfläche überprüft werden. Das Überwachungsnetz erstreckt sich über ein Gebiet von 35 Quadratkilometern und kommt auf eine Gesamtlänge von knapp 93 Kilometern. Die Markscheider*innen vergleichen die Ergebnisse ihrer regelmäßigen Messungen und ziehen daraus Rückschlüsse auf Bodenbewegungen. In Morsleben ist die Bewegungsrate seit Jahrzehnten so gering, dass 2020 eine Änderung im Überwachungsrhythmus festgelegt werden konnte - das komplette Höhennetz wird zukünftig nur alle vier Jahre überwacht. Dazwischen messen die Markscheider*innen in jedem zweiten Jahr ein kleineres Netz, das lediglich den Bereich abdeckt, in dem die größten Bewegungen bekannt sind. Die Ergebnisse werden genau dokumentiert und in das Risswerk des Endlagers Morsleben eingearbeitet.
  2. Höhenüberwachung unter Tage
    Auch unter Tage, im Grubengebäude des Endlagers Morsleben, gibt es ein Höhennetz. Dieses wird aus rund 860 Höhenpunkten gebildet. Die Höhenpunkte befinden sich an der Decke der Grubenbaue, der sogenannten Firste. Für die Höhenüberwachung messen Fachleute der geomechanischen Betriebsüberwachung mit einer sehr hohen Genauigkeit. Höhenunterschiede zwischen zwei Messpunkten werden selbst im Millimeterbereich erfasst. Präzisionsnivellement heißt diese Technik. Oder in diesem Fall ganz genau: Firstpunktnivellement. Für das komplette Firstpunktnivellement benötigen die Markscheider*innen jedes Jahr rund zwei Monate. Anschließend werden die Daten ausgewertet und auf eventuelle Veränderung überprüft. Der Abgleich der Ergebnisse zum Vorjahr gibt Rückschlüsse auf vertikale Gebirgsbewegungen.
  3. Konvergenzmessungen
    Zur Konvergenzmessung wird an einer festen Messstation mit Hilfe eines Messgerätes der Abstand zwischen zwei gegenüberliegenden Punkten bestimmt. Die eigentlichen Messpunkte sind im Grubengebäude etwa 80 Zentimeter tief im Gebirge verankert. Die Konvergenzmessstationen bestehen in der Regel aus einer horizontalen und einer vertikalen Messstrecke. Verringert sich der Abstand zwischen den Messstrecken, spricht man von „Konvergenz“. Diese Verformung der Abbaue ist im Salzbergbau normal. Salz kann sich unter dem Druck des umgebenden Gebirges bei geringer Geschwindigkeit plastisch verformen. In Morsleben beträgt diese Verformungsrate in der Regel weniger als zwei Millimeter im Jahr – ohne dass sich Risse oder ähnliche Störungen bilden. Die Markscheider*innen führen hier mindestens zweimal im Jahr Konvergenzmessungen an rund 290 Stationen durch.
  4. Extensometermessungen
    Mit Extensometern bestimmen Marktscheider*innen die Verformung innerhalb des Gebirges. Zur Anwendung stoßen Bergleute Bohrungen ins Gebirge und verankern darin die Extensometer. Diese messen dann die Verschiebung zwischen ihren Ankerpunkten in verschiedenen Tiefen im Bohrloch. Im Endlagerbergwerk Morsleben sind rund 80 Extensometer im aktiven Einsatz. Die Messungen erreichen sehr hohe Genauigkeiten. Je nach Gerätetyp ist das Ergebnis bis zu 0,1 Millimeter genau. Die Messwertaufnahme erfolgt bei einem Großteil der Geräte alle sechs Stunden automatisch.
  5. Fissurometermessungen
    An insgesamt 15 Stellen im Grubengebäude Morsleben sind Fissurometer installiert. Ein Fissurometer ist ein Messgerät, dass an der Oberfläche eines Risses angebracht wird. Dieses Gerät misst selbst kleinste Veränderungen von Rissweiten in den drei Raumrichtungen. Die Ergebnisse liegen innerhalb eines Jahres im Millimeterbereich. Dennoch sind sie von wissenschaftlicher Bedeutung, indem durch sie mehr über die Entwicklung der Rissbildung zu lernen ist. Je nach Standort werden die Messungen der Fissurometer monatlich oder halbjährlich ausgewertet.
  6. Mikroakustik
    Speziell für die Geologie entwickelte Mikrophone, sogenannte Geophone, erfassen die seismische Energie im Hochfrequenzbereich zwischen einem und 100 Kilohertz. Mit spezieller Software lässt sich daraus sogar eine Mikrorissbildung nachweisen und orten. So folgern Fachleute, wie intakt das Gebirge und wie stabil die Hohlräume im Bergwerk sind. Um mikroakustische Messungen genau interpretieren zu können, werden auch die Ergebnisse anderer geomechanischer Untersuchungsmethoden benötigt, um sich gegenseitig zu kalibrieren. Dazu gehören unter anderem Modellberechnungen und Laboruntersuchungen. Dabei wird die BGE von externen Institutionen wie zum Beispiel der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) unterstützt.
  7. Ortungsseismik
    Ortungsseismik dient dazu, seismische Ereignisse, zum Beispiel Erschütterungen in Folge der Bildung eines Risses oder dem Abbruch eines Gesteinsbrockens, zu orten. In Morsleben gibt es dazu ein weiträumiges untertägiges Überwachungsnetz. Mit Hilfe der empfangenen Daten können die Lage und die Ausprägung eines Ereignisses bestimmt werden. Aufgrund der Empfindlichkeit der Geräte, werden auch weltweite Ereignisse wie Erdbeben erfasst.

Rund 300 Höhenfestpunkte auf einem Gebiet von 35 km² dienen zur Überwachung von Bodenbewegungen an der Tagesoberfläche.

 

Ein Konvergenzmessgerät ist zur Prüfung von Abstandsänderungen zwischen zwei Festpunkten eingespannt.

 

Zwei Fissurometer überwachen einen horizontalen Riss im Salzgestein.

 

Ein Mehrfachextensometer wurde zur Überwachung eines tragenden Pfeilers im Grubengebäude in einem Bohrloch verankert.

 

Geomechanische Betriebsüberwachung verhindert Gefahren

Mikroakustische Messungen belegten schon vor dem Abbruch von rund 4.000 Tonnen Gestein in einem Abbau im Zentralteil im Jahr 2001 sowohl die Auflockerung des Steinsalzes im Zentralteil des Bergwerks, als auch lokale Rissbildungen an der Grenze von Steinsalz und Anhydrit. Um die Mitarbeiter*innen zu schützen, wurde der Zentralteil daraufhin für Arbeiten gesperrt. Seit 2011 ist die Stabilität aufgrund der Maßnahme zur „bergbaulichen Gefahrenabwehr im Zentralteil“ wiederhergestellt.

Alles ruhig in Morsleben

An den meisten Messpunkten lassen sich kaum Veränderungen nachweisen. Das Gebirge bewegt sich insgesamt weniger als ein Millimeter pro Jahr. Leichte Veränderungen finden sehr gleichmäßig statt. Alle Messungen zeigen, dass die bergbauliche Betriebssicherheit des Endlagers gegeben ist.


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